|
Sorge dich nicht, lebe!
Am Tisch von Bernd Wegner kam niemand
ohne Lächeln vorbei
Von ANDREAS BURGMAYER
Der Korken ploppt aus dem Flaschenhals,
Piper-Heidsieck spritzt über den Rathausmarkt, der
Lachshappen ist auf dem kleinen, mit weißer
Tischwäsche gedeckten Camping-Tischchen
angerichtet, und Bernd Wegner sitzt davor in einem
Regiestuhl. Seine Krawatte mit gelben Smileys
flattert in der steifen Brise, die um das Rathaus fegt.
Wegner hebt das Champagner-Glas, der Piper
sprudelt schäumend über dessen Rand, Wegner
prostet einem verwirrten Passanten zu und trinkt.
Was um Gottes Willen gibt es an diesem
verregneten 24. Januar, einem stinknormalen
Mittwoch, für diesen Mann in aller Öffentlichkeit zu
feiern? "Das Leben", sagt Bernd Wegner.
Genauer gesagt, die Hälfte seines Lebens. "Ich bin
jetzt 52½ Jahre alt. Und ich möchte gerne
105 Jahre werden. Ich dachte, das sollte ich feiern."
also ist der Mann ein Spinner, ein Verrückter, einer
dieser durchgeknallten
Fußgängerzonen-Lebenskünstler. "Nein, nein", sagt
der gut gekleidete Mann aus Rahlstedt, "ich bin
selbstständiger Seminarleiter. Ich helfe Arbeitslosen
auf dem Weg in die Unternehmensgründung." Diese
Aktion mit dem Tisch auf dem Rathausmarkt - so
was habe er noch nie gemacht. Unheimlich
aufgeregt sei er. Tatsächlich zittern Wegners Hände,
als er die Butterdose aus Keramik öffnet und sich
mit einem Silbermesser Butter aufs nächste
Lachsbrötchen schmiert.
Was aber soll dann das Ganze? Hat er nichts
Besseres zu tun? Nein, hat er nicht. Seine Maxime
sei das Streben nach dem kleinen Glück, dem
"Zauber des Augenblicks",der das Leben ausmache
Danach lebe er, seit seine Frau vor fünf Jahren an
Krebs gestorben sei. "Das Materielle, dieses
Gerenne nach Erfolg, Geld, dem großen Glück - das
hat doch alles keinen Sinn." Nur das eine Leben
habe er, diese paar Jahre. "Wenn ich mich nur an
den Tagen freue, an denen das Wetter gut ist, dann
fehlt mir doch eine ganze Ecke!"
Das ruft er einem Passanten auf dem
Rathausmarkt hinterher, der sagt, bei so einem
"Schietwedder" könne er keine gute Laune
bekommen. Wegner sagt: "Dafür bin ich heute hier:
Ich will, dass all die schlecht gelaunten Hamburger
kurz verweilen, vielleicht lachen und einfach das
kleine Glück im Leben erkennen." Und das könne ein
singender Vogel sein, eine schöne Blume. Die
Erinnerung an einen glücklichen Moment im Leben
oder eben das Lächeln über einen Mann, der
Champagner auf dem Rathausmarkt trinkt. Wegner
rät verkrampften Karrieristen: "Im Beruf müssen
wir zufrieden sein mit dem, was wir geleistet haben
und es nicht ständig negieren." Glücklich zu sein
könne jeder lernen: "Jeder sollte sich fragen, ob er
lieber glücklich oder unglücklich ist. Damit ist die
Entscheidung schon gefallen - gegen das
Unglücklichsein", sagt Wegner.
Mit seinem kleinen Glück möchte er demnächst
ins Internet: Die Domain www.kleines-glueck.de sei
gesichert. Darauf plane er Texte und Tipps zum
kleinen Glück und die Vorstellung seines großen
Projekts, eines Kalenders für das Jahr 2003: "Keine
Pferde, keine Schiffe, keine Katzen: Nur mit
glücklichen Menschen als Motiv", sagt Wegner. Der
soll dann in allen Büros, Agenturen und Geschäften
hängen und die Leute daran erinnern, dass das
Leben schön ist.
Niemand läuft an diesem verregneten Mittwoch
an Wegners Tisch vorbei, ohne ein Lächeln auf den
Lippen. Bernd Wegner ist das mehr Wert als eine
Million Mark: "Wer wird schon Millionär? Dieses
Lächeln, das kann ich jeden Tag haben - wenn ich
nur will." Den Bürgermeister hatte er auf einen
Lachshappen noch eingeladen. Der konnte nicht,
weil er eine Firma besichtigte, ließ aber schön
grüßen. Und vielleicht hat Runde ja auch gelächelt,
als er von der Einladung hörte - womit Wegner
seine Mission ein weiteres Mal erfüllt hätte.
Was bedeutet Glück für Sie?
Die kleinen Augenblicke im Alltag, die einem den
ganzen Tag retten können. Das Abendblatt fragte
bei prominenten Hamburgern nach: Was ist für Sie
das kleine Glück?
Star-Coiffeur Gerhard Meir (pendelt zwischen
seinen Friseur-Salons in Hamburg und München):
"So ein richtiges kleines, privates Glück wäre für
mich, an einem Dienstag, wenn ich eigentlich in
Hamburg tätig bin, einfach mal nicht zu arbeiten,
mich in meine neue Wohnung in Harvestehude zu
setzen und Klassik Radio zu hören."
Bischöfin Maria Jepsen: "Mit meinem Mann zwei
Stunden an der Alster, Elbe oder Nordsee spazieren
zu gehen - egal, bei welchem Wetter. Das macht
mich glücklich."
Hartmann-Model Marie Amihere: "Jeden Morgen
in das Gesicht meines Freundes zu schauen. Und
dass es meiner Mami und meinen vier Geschwistern gut geht."
Nikolaus W. Schües, Präsident der
Handelskammer Hamburg: "Das kleine Glück für
mich: Das Lächeln meines Enkels."
Maria Ketikidou, Schauspielerin (Großstadtrevier,
Sterne des Südens): "Für mich ist das mein
klassisches Sonntagsfrühstück bei meinen Eltern. Da
sitze ich mit meinem Vater Elias und meiner Mutter
Anatoli mindestens vier Stunden zusammen - jeden
Sonntag. Wir reden und lesen uns aus drei
verschiedenen Zeitungen vor."
Zum Schluss noch ein Tipp für Lernwillige:
Das "Abc des Glücklichseins" findet sich im Internet unter
"www.zeitzuleben.de/inspiration.html ". Das Abc
hat die Hamburger Diplom-Kommunikationswirtin,
Autorin und Trainerin Tania Konnerth geschrieben.
Von A bis Z finden sich hier praktische Anleitungen,
wie Sie jeden Tag ein wenig glücklicher verbringen
können. (cls/abm)
|